Als junger Familienvater wollte ich im Jahre 1990 meine erste Krippe für meine damals zweijährige Tochter bauen.
Nun wie fang ich es an?
Ich skizzierte nach meinen Vorstellungen einige Krippen auf ein großes weißes Blatt Papier. Einige dieser Zeichnungen sahen sehr merkwürdig aus und ähnelten eher einem Hochhaus als einer Krippe…
…na dann, also ohne Zeichnung.

Wie fang ich es nun am besten an?
Ich holte mir in einem Baumarkt Pappelholzbretter, denn ich hatte mal gelesen, dass diese sich zum Basteln gut eignen. Ich holte mir auch noch ein paar Vierkantholzlatten in verschiedenen Stärken. Nun hatte ich in meinem Keller eine Menge an Materialien liegen und schaute diese Erwartungsvoll an!?
Wie kann ich denn jetzt am besten anfangen?
Ich dachte mir, dass es immer gut ist, eine Grundplatte auszusägen, auf der mein Krippenstall dann fixiert wird. Also sägte ich aus dem Pappelholz mit meiner neuer Errungenschaft, einer Dekupiersäge eine rechteckige Platte aus. Nun lag diese Platte vor mir auf meiner Werkbank und mir kam es vor als würde sie mich angrinsen, weil ich eigentlich immer noch nicht wusste, wie es weitergehen soll.
Ich beschloss dann, mein Vorhaben auf den nächsten Tag zu verschieben, da ich sicher war, dass mir über Nacht bestimmt etwas einfällt.
Natürlich fiel mir nichts ein!
Ich packte nun all meinen kreativen Mut und begab mich in den Keller. Ich holte mir eine weitere Pappelholzplatte, legte sie auf meine Werkbank, holte mir einen Meterstab und einen Bleistift. Ich zeichnete einen einfachen Umriss eines Gebäudes für die Rückwand meiner Krippe. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt Krippenfiguren, die 10 cm groß waren. Nachdem ich die Rückwand aufgezeichnet hatte, kamen mir Zweifel, ob die Proportionen meiner Krippe auch zu meinen Figuren passten.

Wie groß soll ich nun meine Türe oder die Fenster machen?
Ich dachte, dass die Türe auf jeden Fall so groß wie die größte meiner Krippenfiguren sein muss. Also zeichnete ich auf meiner Platte eine Tür mit 10 cm und daneben ein Fenster ein. Nun ging es ans Aussägen. Meine erste Türe war etwas schief aber ich fand, dass bei alten Gebäuden auch nicht immer alles gerade ist! So hatte ich endlich meine Rückwand, die Seitenteile und die vordere Wand mit den Aussparungen für Tür und Fenster vor mir liegen. Jetzt legte ich mir den Holzleim und ein paar Schraubzwingen zurecht und begann die Teile miteinander zu verbinden. Nach einer gewissen Trocknungszeit fixierte ich das Gerippe an meiner Grundplatte. Jetzt musste ich abbrechen, da mir meine Frau gerufen hatte, dass wir nun erst mal zum Einkaufen müssen! Also entschloss ich mich, meine weiteren Aktivitäten auf morgen zu verschieben. Mit vollem Elan marschierte ich am nächsten Tag in meinen Keller um die Arbeit wieder aufzunehmen. Da ich kein altes Holz hatte, machte ich mir Gedanken wie ich am besten die Holzverkleidung meiner Krippe gestalte. Ich holte einen Regalboden von dem Schrank meiner Frau, in dem Sie die Winterbekleidung im Sommer aufbewahrt und begann dieses mit einem Messer zu spalten. Die Begeisterungsstürme meiner Frau hielten sich in Grenzen als sie mich im Keller besuchte. Schnell merkte ich, dass sich nicht jedes Holz gleich gut spalten lässt und holte deshalb noch ein weiteres Schrankbrett, in dem die Maserung längs verlief. Dieses funktionierte nun sehr gut. Mit einem Berg von gespaltenen „Brettchen“ begann ich, diese an meinem Krippengerippe zu befestigen. Nach den ersten 10 Brettchen betrachtete ich mein Werk und fand, dass es einfach nicht wie ein Stall aussieht, sondern eher wie ein Neubau!? Frustriert riss ich ein Brettchen ab und siehe da, die Abrisskannte sah aus wie ein abgebrochenes Holzbrett an einem alten Bauernhof. Nun brach ich alle Brettchen auseinander und klebte diese an meinen Stall. Nachdem ich die Bretterverkleidung rings um meine Krippe angebracht hatte rief mich meine Frau zum „Brotzeit machen“ und der Bemerkung „na wird’s was mit deinem Kripperl “ nach oben. Da ich unter der Woche natürlich auch etwas arbeiten musste, konnte ich erst wieder am nächsten Wochenende weitermachen.
Der Samstag kam und ich eilte gleich nach dem Frühstück in den Keller um mein Kunstwerk weiter zu gestalten. Die Vorweihnachtszeit rückte immer näher und meine Krippe sah noch immer sehr dürftig aus. Ich begann nun, mir Gedanken über die Dachkonstruktion zu machen. Ich schnitt aus meinem Pappelholz zwei Dachhälften aus und verklebte diese mit meinen Seitenwänden. Nun sah die Krippe schon wie ein richtiges Häuschen aus. Voller Elan sägte ich aus den Resten der Regalbretter meiner Frau ca. 3 cm große Streifen ab, um diese auch gleich für Dachschindeln zu spalten. Trotz einer kleinen Schnittverletzung beim Spalten ging es doch dann flott voran. Die Schindeln zu verkleben war keine so schwierige Aufgabe, dauerte aber sehr lange. Nun lies ich über Nacht alles trocknen, um mich am nächsten Tag die schwierige Aufgabe des Verputzens widmen zu können.

Wie mach ich eigentlich den Putz?
Ich dachte mir, dass ich einfach ein bisschen Zement aus dem Keller von meinem Schwiegervater hole und diesen mit etwas Wasser anrühre. Gesagt- getan, ich holte mir ein Gläschen Zement und rührte einen Brei an. Mit einer kleinen Spachtel trug ich nun die Masse auf die Flächen ohne Holzverkleidung auf. Da dies eine längere Trocknungszeit beanspruchte suchte ich eine Farbe, mit der ich das Holz bemalen konnte. In der Garage fand ich eine Zaunlasur „Nussbaum“, und fand, dass diese gut zu meiner Krippe passt. Sogleich begann ich die ersten Brettchen meiner Krippe zu bemalen. Die Farbe stank unglaublich und ich brach deshalb meine Malkünste gleich ab.
Was soll ich für eine Farbe nehmen?
Es muss doch auch etwas anderes geben!?
Also holte ich mir ein Glas mit Wasser und verschiedene Dispersionsfarben. Ich mischte einfach die verschiedenen Farben wie schwarz, braun, ocker und etwas weiß zusammen bis ich endlich den gewünschten Farbton hatte. Ich dachte so bei mir, dass ich diesen Farbton wahrscheinlich nie mehr treffen würde falls ich nochmals eine Krippe baue. Sei´s drum, meine selbstgemixte Patina wirkte auf meiner Krippe wirklich klasse. Jetzt war es an der Zeit, alles richtig trocknen zu lassen. Am Sonntag früh konnte ich kaum erwarten, ob alles getrocknet war und wie mein Kripperl jetzt wohl aussieht. Oh`Schande, der Putz war teilweise von den Seitenwänden abgebröckelt. Um gegenüber meiner Familie nicht dumm dazustehen, kratzte ich schnell den restlichen Putz von meiner Krippe ab und suchte verzweifelt, eine Alternative zum Verputzen. Die Lösung fand ich wiederum bei meinem Schwiegervater in Form einer fertigen Spachtelmasse. Um mein Missgeschick zu vertuschen machte ich mich sofort an die Neugestaltung der Fassade. Um die neuerliche und unnötige Trocknungswartezeit zu überbrücken, machte ich mich gleich an die Arbeit, Fensterläden und die Türe auszusägen. Da dieses sehr schnell von der Hand ging, dachte ich mir, dass es schön wäre, die Krippe auch mit Details, wie Sense, Rechen und Milchkanne auszuschmücken. Mit der Milchkanne fing ich an. Da ich kein Rundholz hatte, nahm ich kurzerhand den Putzbürstenstil von meiner Frau und sägte diesen ab. Ich dachte, die 5 cm weniger fallen sowieso nicht auf. Danach bohrte ich ein Loch in die Mitte des Rundholzes und brachte mit meiner Schleifmaschine die Milchkanne in die richtige Form. Wohlwollend betrachtete ich mein Werk und malte es noch silberfarben an. Die Sense und den Rechen bastelte ich aus Schaschlikspießen und Zahnstocher (aus der Küchenschublade meiner Frau). Dieses war ein kleines Geduldspiel, zahlte sich aber aus, denn die kleinen Werkzeuge sahen verblüffend echt aus. Jetzt war meine Krippe getrocknet und ich begann, die Krippe auszuschmücken. Ich malte Wege mit einer Mischung von Farbe und Sägespäne auf die Grundplatte. Nun fehlte mir nur noch etwas Moos und ein Bäumchen für meine Krippe. Also nahm ich mir vor, am nächsten Wochenende einen Waldspaziergang zu machen, um die fehlenden Utensilien zu sammeln.

Wo krieg ich ein Bäumchen für meine Krippe her?
Am kommenden Samstag, es war herrliches Wetter für einen Novembertag, machte ich mich auf, in den nahe gelegenen Wald zur Alttrauchburg zu marschieren. Mit einer Plastiktüte und einer kleinen Säge bewaffnet, schlenderte ich durch den Wald. Bald fand ich ausreichen Moos, dass sich aufgrund der trockenen Witterung gut von den Bäumen löste. Nur was ich nicht fand, war ein geeignetes Bäumchen. Durch einen Zufall sah in einem Tobel eine umgestürzte entwurzelte Tanne. Ich kletterte hinunter und stand alsbald vor dem Objekt meiner Begierde (leider mitten in einem Schlammloch). Was soll´s, ich fand wunderschöne Endwurzeln die ich gleich absägte. Ich konnte kaum noch den Nachhauseweg abwarten um meine gesammelten Werke endlich an meiner Krippe zu positionieren. Nach dem ich meine Krippe ausgeschmückt hatte, stand ich mit eine inneren Zufriedenheit und Stolz vor meinem Kripperl. Es sah zwar nicht so aus wie von einem professionellen Krippenbauer, aber es war „meins“. Zum ersten Advent durfte ich dann meine Krippe endlich in Wohnzimmer aufstellen. Meiner Frau gefiel mein erstes „Kripperl“, meiner zweijährigen Tochter war es egal.
… über 32 Jahre später
Jetzt, nach über 32 Jahren Krippenbauen und hunderten von individuell gefertigten Krippen gehen die Dinge natürlich leichter von der Hand. Die Freude über jede Krippe, die ich anfertige sowie die Vorfreude auf eine besinnliche Weihnachtszeit mit einer Krippe unter dem Weihnachtsbaum, lassen mich in meinem „Krippenkeller“ das ganze Jahr über, immer wieder zu dem jungen Mann werden, der sich an den Bau seiner ersten Krippe gerne zurückerinnert. Ich lege viel Wert darauf, dass jede meiner Krippen ein Unikat ist und bleibt.
…Übrigens muss ich auch in der Zwischenzeit nicht mehr die Milchkannen aus dem Besenstil meiner Frau fertigen denn ich habe jetzt Rundhölzer bevorratet!
Ihr Thomas Müller


Bild von meiner ersten Krippe mit meiner Tochter Tamara